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Wo sich Pflanzen streicheln lassen

Liebe Bloggemeinde,

eine tolle Sache finde ich, das darüber nachgedacht wird das es einen Audioguide in nächster Zukunft gibt, der uns die wenig oder gar nichts mehr sehen können, durch diese Ausstellung führt. Doch finde ich es ebenso wichtig, dass weiterhin eine Führer/in zur Verfügung gestellt wird. Denn das Eine ist ebenso unabdingbar wie das Andere.

Im Duft- und Tastgarten des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt gibt es auch für Sehbehinderte viel zu entdecken. Vögel singen und die Kirchenglocke des Ingolstädter Münsters läutet dumpf im Hintergrund. Der Duft- und Tastgarten des Deutschen Medizinhistorischen Museums ist eine Oase – dass man hier mitten in der Stadt ist, merkt man einzig am leisen Rauschen des nahen Verkehrs. Seit 1992 schon können Besucher hier Heilpflanzen, Kräuter und andere grüne Schätze mit allen Sinnen erleben. Und auch Blinde kommen hier auf ihre Kosten. Sie können das satte Grün der Minze, das leuchtende Gelb des Eisenkrauts und das strahlende Pink der Rosen zwar nicht sehen – aber sie können die Pflanzen riechen, streicheln, ertasten.

Das Idyll ist ein Teil des Arzneimittelgartens des Museums. Mit Blindenschrift versehene Hochbeete ermöglichen auch Rollstuhlfahrern und Sehbehinderten einen genussvollen Gartenbesuch. Hier wächst eine Auswahl von rund 50 Heilpflanzen, die sich durch besonders charakteristische Strukturen oder intensive Duftnoten auszeichnen. “Blinde oder Sehbehinderte können derzeit mit einem Begleiter den Garten besuchen oder eine Führung buchen”, erklärt Museumsdirektorin Marion Ruisinger. “Die Pflanzen sprechen unmittelbar Geruchs- und Tastsinn an.” Was Ruisinger aber mittelfristig auch umsetzen möchte, ist ein Audioguide für den Duftgarten. “Inklusion bedeutet für mich, dass Behinderte das Museum immer besuchen können, nicht nur dann, wenn beispielsweise eine extra Führung angeboten wird.” Die Daueraustellung des Medizinhistorischen Museums sei für Blinde weniger geeignet, “da sind zu viele Exponate hinter Glas” – aber der Duftgarten wäre prädestiniert.

Ideen hat die Museumsleiterin viele, konkret weiß sie aber noch nicht, wann sie das Projekt Audioguide umsetzen kann. Doch bereits jetzt bietet der Duftgarten ein herrliches Erlebnis für Sehbehinderte. Entlang der Hochbeete markieren im Boden eingelassene Steine, dass hier eine Pflanze oder ein Heilkraut wächst. Der Name der Pflanze steht auf Schildern sowohl in Blindenschrift als auch in lateinischen Buchstaben. “Die Buchstaben sind auch tastbar”, erklärt Ruisinger. “Manche Menschen werden erst in höherem Alter sehbehindert und können die Braille-Schrift nicht lesen. ” Ein Audioguide könnte die Verwendung der Kräuter in der Medizin, ihre Herkunft und Wirkstoffe erklären, derzeit übernimmt das noch eine Museumsführerin.

Die Auswahl der Pflanzen ist beeindruckend – an jeder Ecke duftet es anders, jedes Exemplar fühlt sich anders an. Der Weiße Stechapfel hat eine stachelige Frucht, die früher bei der Anästhesie verwendet wurde. Die Blätter des Rhabarbers sind riesig, während der Rosmarin kleine, weiche Nadeln hat. “Das riecht nach Italien”, findet Marion Ruisinger. Die
Königskerze wiederum ist mannshoch, ihre Blätter erstaunlich weich und samtig – ganz anders der Acker-Schachtelhalm. “Den gab es schon zur Zeit der Dinosaurier”, erklärt die Direktorin. “Er fühlt sich an wie Sand und hat Schmiergeleigenschaften. Eine tolle Haptik. “Pfefferminze, Gerste, Hafer, Eibisch, Lavendel – jede Pflanze hat ihre Besonderheit. Und die können auch Blinde erkennen. Dafür müssen sie sie gar nicht unbedingt mit ihren Augen sehen können. “Und das Tolle ist, dass die Pflanzen ihre Duftstoffe freiwillig abgeben. Man muss sie gar nicht abreißen. Streicheln reicht.”

Quelle: Mehrwert