Liebe Bloggemeinde,
der UN-Fachausschuss zur Behindertenrechtskonvention (CRPD – Committee on the Rights of Persons with Disabilities) hat im Rahmen einer Staatenberichtsprüfung in Genf untersucht, ob Deutschland die Rechte von Menschen mit Behinderungen genügend vorantreibt.
Die Ergebnisse des Fachausschusses zum deutschen Staatenbericht lesen Sie unter folgendem Link (Word-Dokument zum Download in englischer Sprache): http://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CRPD/Shared%20Documents/DEU/CRPD_C_DEU_CO_1_20186_E.doc
Zum Ergebnis des Fachausschusses, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, nimmt der DVBS-Vorsitzende Uwe Boysen Stellung:
“Wenn man die Bemerkungen einiger Organisationen und Initiativen von behinderten Menschen im Internet liest, so könnte man glauben, Deutschland habe am vergangenen Freitag ein Erdbeben erschüttert, als der UN-Fachausschuss für die BRK seine Bemerkungen zum deutschen Staatenbericht veröffentlichte. Dabei hat die Erde (mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt – und das war schon Donnerstag!) gar nicht gebebt. Vorsichtshalber enthalten die genannten Stellungnahmen auch kaum Substantielles, sondern beschränken sich darauf, die Tatsache solcher Rügen hervorzuheben. Mag sein, dass das an der Klapprigkeit der UN-Computer liegt, die häufig keinen Zugang gewährten. Aber eine überzeugende Analyse sieht anders aus.
Greifen wir, um diesem Mangel jedenfalls teilweise abzuhelfen, nur drei Punkte heraus, die für den DVBS besonders wichtig sind: Bei Art. 9 der Konvention, der u. a. die Informationstechnik behandelt, kritisiert der Ausschuss die nicht bindende Einbeziehung Privater in die deutsche Gesetzgebung (Randnummer 21), eine Tatsache, die der DVBS bereits seit langem beklagt und auch im Prozess zur Novellierung des BGG herausgestellt hat. Zu Art. 24 vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass es ein Konzept für inklusive Bildung geben müsse und kritisiert, dass die große Mehrzahl behinderter Menschen noch in besonderen Einrichtungen unterrichtet würde (Randnummer 45). Diese Einrichtungen seien “herunterzufahren” (scale down, Randnummer 46 b), wohl gemerkt nicht “abzuschaffen, wie es mehrfach zu lesen war. Stattdessen betont der Ausschuss die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger Bildung, wie sie von jeher auch Anliegen des DVBS war und ist. zu Art. 27, der Vorschrift zu einem inklusive
n Arbeitsmarkt, verlangt der Ausschuss ein Konzept zur Schließung der Werkstätten für behinderte Menschen (phasing out, Randnummer 50 b) und beleuchtet leider die Situation anderer Behindertengruppen auf dem ersten Arbeitsmarkt nur unzureichend. Immerhin empfiehlt er insoweit eine Datensammlung über die Zugänglichkeit von Arbeitsstätten (Randnummer 50 d).
Bei all dem muss man sich über eines im Klaren bleiben: Die Durchsetzung dieser und weiterer Empfehlungen kann der Ausschuss nicht erzwingen. Sie sind nicht einklagbar! Und die Erfahrung lehrt, dass die Bundesregierungen derartige Rügen und Empfehlungen auch auf anderen Gebieten, auf denen die UN im Bereich der Menschenrechte aktiv ist, nicht selten “in den Wind geschlagen” haben. Menschenrechte im Verständnis der UN stehen in Deutschland nach wie vor nicht hoch im Kurs. Zu übertriebener Euphorie ist daher kein Anlass, zumal sie dann sehr schnell in eine Katerstimmung umschlagen kann. Veranlassung besteht aber, unsere Forderungen nach gleichberechtigten Zugangsmöglichkeiten auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen weiter mit Beharrlichkeit zu verfolgen und sich nicht von Hinhaltetaktiken der staatlichen Gewalt entmutigen zu lassen.”
Quelle: http://www.dvbs-online.de/nl602.htm