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Erfolgreiche NUB-Entgeltverhandlungen zwischen Krankenkassen und RI Implantationszentren.
Erneut haben sich mehrere Kliniken mit den regionalen Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) auf ein NUB-Entgelt für das subretinale Netzhautimplantat Alpha AMS des Medizintechnik-Unternehmens Retina Implant AG im Rahmen der “Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)” geeinigt. Für Patienten mit der unheilbaren Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa (RP) im Spätstadium heißt das, dass sie in spezialisierten RI Implantationszentren in Dresden, Kiel, Stuttgart, Tübingen sowie weiteren Kliniken behandelt werden können und die Krankenkassen die Methode grundsätzlich anerkennen.
Das NUB-Verfahren soll die Einführung von Innovationen im Gesundheitswesen in Deutschland fördern, denn diese “Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden” können nicht über das Fallpauschalen-System abgerechnet werden. Die Erstattung von NUB muss jährlich bis Ende Oktober des vorhergehenden Jahres beim “Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus” (InEK) durch die Kliniken beantragt werden. Die RI Implantationszentren erhielten vom InEK Anfang des Jahres die Status 1- Mitteilung und durften daraufhin mit den regionalen Kostenträgern die NUB-Entgelte vereinbaren. Diese Verhandlungen wurden nun erfolgreich abgeschlossen und ein wichtiger Schritt im NUB-Verfahren in Bezug auf Kostenübernahme der Methode durch die GKV wurde damit erreicht.
RI Implantationszentren in Deutschland
Das Städtische Klinikum Dresden-Friedrichstadt, die Universitätsaugenklinik Kiel, die Universitätsaugenklinik Tübingen, das Katharinenhospital Stuttgart sowie weitere Kliniken sind zertifizierte RI Implantationszentren mit jeweils sehr erfahrenen Netzhautchirurgen. Sie haben sich mit regionalen Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland über die Höhe eines NUB-Entgelts geeinigt und können auf dieser Grundlage das subretinale Netzhautimplantat Alpha AMS für Patienten mit RP im Spätstadium grundsätzlich implantieren und erhalten eine Kostenerstattung.
Eine Erfindung aus Deutschland für die ganze Welt
Erbliche Netzhauterkrankungen, wie beispielsweise Retinitis pigmentosa, sind unheilbar und führen im Endstadium meist zur vollständigen Erblindung. Sie gehören zwar zu den seltenen Erkrankungen, aber allein in Deutschland sind über 30.000 Menschen davon betroffen. Das subretinale Netzhautimplantat RETINA IMPLANT Alpha AMS kann Blinden, die an Retinitis pigmentosa erkrankt sind, einen Teil ihres Sehvermögens zurückgeben. Das heißt, Patienten können beispielsweise Lichtquellen wahrnehmen. Das Reutlinger Medizintechnik-Unternehmen Retina Implant AG entwickelt und vertreibt das Implantat, das 2016 die CE-Kennzeichnung erhielt.
Vom Hören das Sehen lernen: Subretinale elektronische Sehprothesen
Seit Mitte der Neunziger Jahre arbeiten Forscher an der Wiederherstellung des Sehens – aufbauend auf den Erfolgen bei der Wiederherstellung des Hörsinns mit dem Cochlea Implantat. Da das Subsystem sehr viel komplizierter aufgebaut ist, sind erste nennenswerte Erfolge erst seit wenigen Jahren zu verzeichnen, vor allem dank eines Seh-Chips, der unter der Netzhaut implantiert wird.
Obwohl auch andere Orte im Gehirn in Frage kämen, einen Seheindruck für den erblindeten Patienten zu ermöglichen (z.B. Sehnerv, Sehrinde), werden den netzhautgestützten Systemen die meisten Chancen für einen Erfolg eingeräumt. So sind auch die Versuche mit Implantaten am weitesten fortgeschritten, die eine Ankoppelung im Bereich der Netz¬haut (Retina) ermöglichen.
Hier gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Arten, nämlich das epiretinale und das subretinale Implantat, welche von der jeweiligen Seite der Netzhaut aus (epi- = auf der Netzhaut, sub- = unter der Netzhaut) versuchen, diese elektronisch zu stimulieren. Anwendung finden solche Implantate bei soge-nannten degenerativen Netzhauterkrankungen, bei denen typischerweise die äußere Netzhautschicht der Photorezepto¬ren abstirbt, die inneren Schichten der Nervenverschaltung und die nachrangige Sehbahn bis zum Gehirn allerdings noch intakt sind.
Hilfe bei Nachtblindheit und Tunnelblick
In den Photorezeptoren wird das einfallende Licht in elektri¬sche Impulse umgewandelt. Fehlt diese Schicht komplett, ist das Auge faktisch blind. Eine typische Erkrankung ist die Re¬tinopathia pigmentosa, bei der im Verlauf des Lebens die Photorezeptorenschicht immer weiter abstirbt und viele Pati¬enten schließlich auch erblinden. Im Volksmund kennt man diese erblich bedingte Erkrankung auch als Nachtblindheit oder Tunnelblick. Gerade erblindete Patienten mit dieser Er¬krankung sind hauptsächlich geeignet für die Implantation eines Seh-Chips, dessen Aufgabe es also primär ist, die Photo¬rezeptorenschicht elektronisch zu ersetzen.
Das epiretinale Implantat wird über den Glaskörperraum des Auges an der Oberfläche der Netzhaut verankert. Es emp¬fängt seine Signale für die Netzhautstimulation von einem Infrarot-Receiver, der in einer Kunstlinse eingesetzt ein Videobild über eine Kamera in der Brille empfängt und dies an die inneren Schichten der Netzhaut weiterleitet. Beim subretinalen Implantat unter der Netzhaut hingegen werden die Photorezeptoren direkt ersetzt und der Stimulus für die Nutzung der Netzhaut entsteht direkt über das in das Auge fallende Licht.
Stimuliert werden bei beiden Verfahren die bei der Retinopathie eben noch verbliebenen Nervenzellen in den inneren Netzhautschichten, über das Sehsignal via Sehnerven an das Gehirn weitergeben wird. Somit wird die natürliche Weiterleitung im Sehsinn bei diesem Ansatz uneingeschränkt genutzt, da das restliche Sehsystem jenseits der Photorezeptoren ja intakt ist.
Weil die Netzhaut aber mit ausreichend Energie stimuliert werden muss, wurde das Konzept eines aktiven subretinalen Netzhautimplantates entwickelt, das prinzipiell aus der Mikrophotodiodenarray besteht (der Sehchip im Auge), wel¬ches zusätzliche Energie von außen zugeführt bekommt. Dies erfordert eine sogenannte transchoroidale Implantation durch die Leder- und Aderhaut des Auges hindurch, weshalb eine völlig neue Operationsmethode entwickelt werden musste. Die Entwicklung eines sicheren transchoroidalen Zugangs war die Voraussetzung für den Erfolg einer subreti¬nalen Stimulation mit chronisch implantierbaren Seh-Chips.
Relativ komplikationsfreie OP
Von technischer Seite her bietet die subretinale Technik ge¬genüber der epiretinalen Technik zwei entscheidende Vortei¬le: die Auflösung des Chips mit ca. 1600 Mikroelektroden ist deutlich höher als beim epiretinalen Chip mit nur ca. 60 Elektroden. Zusätzlich kann die Augenbewegung physiolo¬gisch genutzt werden, da das Bild direkt auf die Netzhaut pro¬jiziert wird und nicht wie beim epiretinalen Implantat über eine Videobrille, bei der das Bild von den Kopfbewegungen abhängt, nicht aber von den Augenbewegungen. Zusätzlich muss man bei der Dauerstimulierung der Netzhaut durch das Videosignal mit einem gewissen “Auswaschphänomen” rechnen, bei dem die Canglienzellen ermüden und keine wei-teren substantiellen Reize weiterleiten.
Dem potentiellen Vorteil des subretinalen Implantates steht die sehr aufwendige und schwierige OP-Methode gegenüber, die bei der epiretinalen Implantation auf die Netzhautober¬fläche vermeintlich einfacher bewerkstelligt werden kann.
Mittlerweile wurde etwa 50 Patienten mit einem subretina¬len Chip in wenigen Zentren seit 2005 weltweit implantiert. Das OP-Verfahren, das in Regensburg von der Arbeitsgruppe von PD Helmut Sachs entwickelt wurde, ermöglichte die ers¬ten Implantationen, die in Tübingen an Patienten durchge¬führt wurden, wo das Projekt von Prof. Hans-Peter Zrenner koordiniert wurde. Auch die ersten klinischen Tests erfolgten dort. Die OP-Teams aus Regensburg und Tübingen konnten somit erstmals einen subretinalen Chip platzieren, der über ein unter der Haut verlegtes Kabel mit Energie versorgt wur¬de. Das Kabel endet hinter dem Ohr unter der Haut und gleicht – was den Empfänger für die Energieversorgung anbe¬langt – dem Cochlea Implantat.
In Regensburg entwickelte OP-Methode
Die in Regensburg entwickelte und erprobte Implantations¬methode konnte, obgleich sie sehr komplex ist, relativ kom¬plikationsfrei auf den Menschen übertragen werden.
Es zeigten sich bislang keine beachtenswerten Komplikatio¬nen, die über das Spektrum der Komplikationen normaler Augenoperationen hinausgehen. Mittlerweile ist es den Technikern auch gelungen, die Haltbarkeit des Implantates deutlich zu verlängern, was zusammen mit einer möglichen Auswechselbarkeit des Implantates bei einer Reimplantation eine langfristige Versorgung ermöglichen könnte.
Bei den erreichbaren Seheindrücken handelt es sich bislang um Wahrnehmungen, die dem Patienten lebenspraktische Hilfen vermitteln sollen und eine Orientierung ermöglichen
(beispielsweise Erkennen von Fenstern im Raum oder von Objekten, im besten Falle auch das Erkennen von großen Buch¬staben, wenn ein hoher Kontrast gewährleistet ist).
Mit diesem Implantat wurde weltweit erstmalig eindeutig die Möglichkeit einer subretinalen Stimulation der Netzhaut an degenerierten Netzhäuten nachgewiesen und gezeigt, dass ein gewisses Restsehvermögen nach Erblindung wieder herstellbar ist. Der Vorteil eines subretinalen Implantates liegt darin, dass – wie oben beschrieben – keine Kamera erfor¬derlich ist, die erst das Bild aufnimmt, sondern dass sozusa¬gen das Auge selbst sieht.
Damit ist es beim subretinalen Chip im Gegensatz zum epire¬tinalen Implantat möglich, dort Objekte zu sehen, wo sie tat¬sächlich sind. Für die Entwicklung und Weiterentwicklung des Implantats zeichnet die Firma Retina Implant aus Reut¬lingen verantwortlich, die nach Abschluss der öffentlichen Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründet wurde.
Die Zusammenarbeit mit Patientenselbsthilfegruppen wie Pro Retina und deren Förderung erwiesen sich als sehr hilf¬reich. In Deutschland wurden bisher in Tübingen, Dresden, Hannover, Kiel und Würzburg Implantationen durchgeführt.
Die Implantate können heute außerhalb von Studien klinisch im Rahmen sogenannter NUB-Anträge (Neue Untersuchungs-¬und Behandlungsmethoden) eingesetzt werden und haben damit den Weg in die klinische Routineversorgung angetre¬ten.
Entnommen aus der Zeitschrift Die Schnecke.
Die Schnecke ist eine seit 1989 erscheinende unabhängige Fachzeitschrift, die von der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) herausgegeben wird.
Die Zeitschrift Schnecke agiert als gemeinnützige GmbH. Thematischer Schwerpunkt ist das Leben mit Cochlea-Implantaten (CI) und Hörgeräten. Darüber hinaus informiert die Schnecke ihre Leser über die Themen Schwerhörigkeit, Taubheit, Tinnitus, CI-Prozessoren, Hörgeräte und Hör-Hilfsmittel.
Fachbeiträge und Erfahrungsberichte von Betroffenen vermitteln dem Leser einen besonders tiefen Einblick in die Problematik von Hörschädigungen und ihre Bewältigung. Zugleich bietet die Zeitschrift den Lesern ein Forum und vielfältige Kontaktmöglichkeiten.
Die Leser der Schnecke sind hörgeschädigte Menschen und ihre Angehörigen sowie Fachleute aus den Bereichen HNO, Hörgeräteakustik, Pädagogik und Logopädie. Zum Leserkreis gehören auch Mitglieder verschiedener Selbsthilfeorganisationen auf nationaler wie regionaler Ebene.
Die Fachpublikation vermittelt Menschen mit Hörbehinderung und ihren Familien sowie Fachleuten zuverlässige Informationen, veröffentlicht eine Vielzahl von Veranstaltungsterminen rund ums Hören und präsentiert in jeder Ausgabe Kontaktdaten der Selbsthilfegruppen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Italien sowie Luxemburg.
Die Schnecke erscheint viermal jährlich mit einer aktuellen Auflage von 5.500 Exemplaren. Die Redaktion hat ihren Sitz in Senden bei Ulm; Chefredakteur ist Uwe Knüpfer.
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